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Ein Al Quds Tag Brief an Tony Blair. Von Lauren Booth, in Iran.


Von Lauren Booth
3. September
2010316534_502940126394700_689829811_nLieber Tony,

Glückwunsch, deine politischen Memoiren entwickeln sich zu einem sofortigen Bestseller. Ich bin im Iran und besitze die einzige Ausgabe im Land. Ich kann dir sagen, es ist derart heftig umkämpft, dass es sein Gewicht in Massenvernichtungswaffen wert ist. Eine Anmerkung an den Random House [Verlag]: ‚A Journey‘ sollte schnellstmöglich in Farsi und Arabisch übersetzt werden; es wird in diesem Teil der Welt weggehen wie warme Semmeln.
Tony, gestern war ich auf der Al Quds Tag Kundgebung in Teheran. Vielleicht hast du davon gehört? Es ist die Kundgebung, zu der die Iraner sich versammeln, um gegen Israels illegaler Besetzung von Palästina, inklusiv die Heilige Stadt Jerusalem, zu protestieren.

Ich bin sarkastisch, wenn ich dich frage, ob du mal vom Al Quds Tag gehört hast, weil ich weiß, dass du es kennst. Es ist dein allerschlimmster Albtraum, nicht wahr? Schließlich ist Teheran der Ort, wo Politik und Islam sich verbinden.
Persönlich habe ich nie diese Angst vor dem ‚politischen Islam‘ verstanden. Ich finde, dass gläubige Menschen immer über das Weltgeschehen informiert sein sollten, anstatt in Ignoranz zu verharren. Wie zum Beispiel die christlichen Zionisten im mittleren Westen der USA. Die Art von Leuten, die ihre Heimartstadt nicht mal auf eine Karte ihres eigenen Bundesstaates finden können, aber überzeugt davon sind, dass sie den Islam hassen, obwohl sie nicht sicher sind, ob es sich dabei um eine Art Curry oder eine ausländische Automarke handelt.
Wie auch immer, gestern stand ich inmitten von mehr als einer Million iranischer Muslime, die einstimmig skandierten ‚Marg Bar Isre-hell‘ und ‚Marg Bar Am-ri-ca!‘. Du weißt, was das bedeutet, Tony, da bin ich mir sicher: ‚Nieder mit Israel, nieder mit Amerika‘. Die Männer, Frauen und Kinder um mich herum verbrachten den Tag ohne Wasser und ohne Essen (Es heißt Ramadan, Tony, es ist ein Fasten). Es war um die 40 Grad, und sie haben trotzdem den Hunger und den Durst verkraftet, als ob es gar nichts wäre. Die Menschen in der muslimischen Welt können Entbehrungen widerstehen. Hier im Iran sind die Menschen stolz darauf zu leiden, um ihre Solidarität mit dem Volk von Palästina zu zeigen. Es ist ähnlich wie du deine Solidarität mit Amerika zeigst, nur ohne illegale chemische Waffen und ohne einer Million Ziviltoten.

Manche Mütter auf der Kundgebung weinten, nicht aus Hass auf ‚den Westen‘ sondern aus Mitleid mit den Müttern von Rafah, Khan Younis, Nablus und Jenin. Erkennst du diese Ortsnamen, Tony? Als Nahost Friedensbotschafter müsstest du diese wirklich kennen. Israel hat in den letzten Jahren Kinder in all diesen Städten abgeschlachtet. Wusstest du das nicht?

Heute, wenn in den Straßen von London die Rufe von ‚Allahuakbar!‘ und ‚Down Down Israel‘ widerhallen, werden Christen und Juden sich den donnernden Ruf ‚Down Down Israel‘ anschließen, und Schulter an Schulter marschieren mit den ‚politischen‘ Muslimen, vor denen du, wie du behauptest, so große Angst hast.
Vielleicht glaubst du, dass ich in Gefahr bin im Iran, vor allem an einem Tag wie Al Quds. Schon wieder Tony wurde dir da eine massive Lüge angedreht, die du völlig schluckst. Diese Lüge, die behauptet, dass wenn Muslime eine Meinung als Gruppe in der Öffentlichkeit äußern, dies immer durch Hass auf uns ‚Ungläubigen‘ angeheizt ist. So als ob alle Proteste muslemischer Gruppen eine Art langanhaltender Groll gegen die Kreuzzüge wären.

Vielleicht sollten sie hier mehr und nicht weniger wütend sein als sie sind Tony. Denn beim Lesen des Nachworts deines Bestseller wird deutlich, dass du auf einem modernen Kreuzzug bist..
Bei ‚dem ‚Konflikt‘ zwischen Palästina und Israel geht es deiner Meinung nach nur um Religion, und gar nicht um die ethnische Säuberung der arabische Bevölkerung oder etwa um die Herabsetzung derjenigen, die unter den Stiefeln ihrer israelischen Besatzer verbleiben. Du sagst, dass die Araber ‚Juden‘ immer als Feinde angesehen haben und werden. Um Gottes Willen Tony, mach mal deine Geschichtshausarbeiten. Und wenn du eine ‚Stiftung des Glaubens‘ leiten willst, wäre es gut sich nochmal einen Grundkurs Islam reinzuziehen, nicht wahr? Haben deine Kumpels in Tel Aviv vergessen dir zu erzählen wie viel tausend Juden im historischen Palästina vor 1948 friedlich mit ihren arabischen Nachbarn zusammengelebt haben? Weißt du wirklich nicht, dass sogar heute Zehntausende Juden zufrieden im Iran wohnen?

Ich saß mit muslimischen Familien zusammen. Familien, deren Kinder durch israelische/US Phosphorbomben verbrannt wurden. Familien, die immer noch durch die israelische Belagerung Gaza’s an Hunger leiden. Familien, die die anfänglichen Tage der Sanktionen gegen Iran durchlebt haben, als sie Essensmarken brauchten um zu überleben. Und jeder einzelne Moslem in diesen leidgeprüften Familien hat die gleiche Botschaft: „ Wir hassen niemanden wegen seiner Rasse oder seiner Religion. Wir können Juden nicht hassen, sie sind in unserem heiligen Buch. Es ist gegen die Lehren des Korans.“ Aber Tony, lass mich dich mal fragen, warum sollte von irgendeinem Volk, muslemisch oder nicht, erwartet werden sich mit dieser Art von ständiger Bedrohung durch dich und deine Chefs in Tel Aviv und Washington abzufinden. Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie es ist in Gaza zu leben? Belagert, angegriffen mit chemischen Waffen, die Schulen deiner Kinder durch israelische Raketen dem Erdboden gleichgemacht, deine Krankenhäuser bombardiert, deine Elektrizität eingeschränkt, dein Wasser untrinkbar?

Eigentlich, Tony, bist du ein sympathischer Mensch. Ich glaube eigentlich, dass du sehr wohl Schmerzen verspürst angesichts der Entbehrungen die Millionen Menschen im Nahen Osten als direkte Auswirkung deiner Unterstützung Israels erleiden. Dann aber verdrängst du dieses Gefühl, weil du in deinem tiefsten Inneren glaubst, dass ‚sie‘ es verdienen, nicht wahr?

In deinem Buch schreibst du, dass du genauestens wusstest wie viele Häuser in Beirut flach gemacht wurden, wie viele Zivilpersonen im Libanon in 2006 starben. Trotzdem tust du die Wut der Libanesen über sie israelische Besetzung der ‚Shebas Farm‘ als ‚über ein klitzeskleines Stück Land‘ und unwichtig ab. Du bist unfähig, es als Teil des kontinuierlichen Drucks auf die gesamte libanesische Gesellschaft durch ihren schwerbewaffneten, aggressiven israelischen Nachbarn zu verstehen. Du betrachtest es als: ‚Israel wird angegriffen. Israel schlägt zurück.‘ Alsob Israel im seelenruhigen Frieden lebt, und zwischen diesen Massakern zu allen rundum nett ist.

Als andere führenende Weltpolitiker öffentlich forderten, dass Israel die Bombenangriffe auf libanesche Städte sofort stoppt, verharrtest du in Schweigen. „Wenn ich Israel verurteilt hätte“, sagst du in deinem Buch, „ wäre ich mehr als verlogen gewesen. Es hätte mein Weltbild untergraben.“ Dein Weltbild ist: Moslems sind wahnsinnig, schlecht und gefährlich zu kennen. Eine Seuche, die eingedämmt werden muss. Dein letztes Kapitel ist eine Pflichtlektüre für den Nahen Osten, Tony, Glückwunsch dazu! Es erklärt nämlich das ‚sie‘ und ‚wir‘ Programm deiner Freunde in Washington und Tel Aviv.

Im letzten Kapitel sagst du: „Wir brauchen einen religiösen Gegenangriff“ gegen den Islam. Und mit ‚Islam‘ meinst du die Al Quds Kundgebungen, die palestinesische Intifada (entstanden aus dem Anti-Apartheit Kampf, Tony, NICHT aus religiösem Fanatismus), gegen jeden Araber, der es versäumt seine Arme in die Luft zu heben und in einem mitreissenden Chor ‚Imagine all the people…‘ zu singen , wenn die F 16 Raketen auf ihre Häuser und Flüchtlingslager regnen.
Wenn du sagst, „Extremismus“ muss „kontrolliert und zerschlagen“ werden, dann meinst du, dass du und deine Sorte von bankrotten (aber stinkreichen) Weltpolitikern die zunehmende Soldarität in der Ummah und von den Aktivisten der verschiedensten Glaubensrichtungen auf den Strassen von Paris, London, Bradford, Rom kontrollieren wollt.
„Nicht nur muss der Extremismus vernichtet werden“, schreibst du, sondern „die Geschichte muss bekämpft werden“.

Iran ist tatsächlich der Ort wo islamische Tradition und politisch Aktionen sich kreuzen.

Sie sind sich der Geschichte dieser Region, des Unrechts, das Israel gegen Palästina verübt hat, und der politischen Intrigen der US und UK Regierungen, um sie zu isolieren, hochgradig bewusst. Alles in allem, und obwohl die Leute hier nett waren während meines Aufenthalts, würde ich dir allerdings nicht empfehlen, hier zur einer Buchlesung anzureisen..

Lauren Booth
Rundfunksprecherin und Journalistin
Mail on Sunday
Press TV, UK